RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16.03.2023 (VII ZR 94/22) erstmals entschieden, wann ein Verbraucherbauvertrag vorliegt. Das Institut des Verbraucherbauvertrages ist mit Reformierung des Werkvertragsrechts mit Wirkung zum 01.01.2018 neu eingeführt worden und ist in § 650i BGB geregelt. Die Entscheidung des BGH ist aktuell noch nicht abrufbar, wird aber demnächst hier veröffentlicht. Nach der Pressemitteilung vom 16.03.2023 soll kein Verbraucherbauvertrag bei einem Vertrag über ein einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens vorliegen.
Pressemitteilung Nr. 51/2023
"Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des mit Wirkung zum 1. Januar 2018 neu eingeführten § 650i BGB vorliegt.
Sachverhalt:
Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer vergaben. Die Klägerin erbrachte von November 2018 bis Januar 2019 aufgrund eines Vertrags von August 2018 über die Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von 29.574,80 € leisteten die Beklagten Zahlungen in Höhe von 20.337,61 €. Die Klägerin forderte die Beklagten zunächst unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung des offenen Betrags und anschließend zur Leistung einer Sicherheit hierfür im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB (Bauhandwerkersicherung) in Höhe von 9.880,05 € auf.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben. Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Nachdem die Beklagten einen Betrag in Höhe von 9.880,05 € an die Klägerin gezahlt hatten, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen. Das Oberlandesgericht hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung sei unbegründet gewesen. Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 BGB habe von Anfang an der Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB entgegengestanden. Die Beklagten als Besteller seien Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB geschlossen. Ein solcher liege auch bei einer - wie hier - gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen vor.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Die Klage auf Sicherheitsleistung war ursprünglich begründet und hat sich erledigt. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB liegen nicht vor. Die Parteien haben keinen Verbraucherbauvertrag geschlossen.
Nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks "oder eines Teils davon" erfasst. Eine weitere abweichende Formulierung findet sich zudem in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, der die Verjährung werkvertraglicher Mängelansprüche regelt und dort eine spezielle Verjährungsfrist für Ansprüche "bei einem Bauwerk" vorsieht.
Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht ebenfalls für dieses Verständnis. Schließlich stützt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine solche Auslegung. Danach ist der Gesetzgeber bei der an das Recht der Europäischen Union anknüpfenden Definition des Verbraucherbauvertrags in § 650i BGB nicht versehentlich oder aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften, insbesondere der in § 650a BGB gewählten Terminologie abgewichen, sondern hat bewusst die eigenständige klare Formulierung gewählt, nach der sich der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss.
Soweit die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes, hat das keine Umsetzung im Gesetz gefunden. Hinzu kommt, dass diese rechtspolitische Erwägung auch nicht ohne weiteres im Rahmen einer Auslegung mit eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden kann, weil die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger für den Verbraucher angesehen werden können als dies bei einem Vertrag der Fall ist, für den sie nicht gelten. Schließlich verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit hier in besonderer Weise, den Begriff des Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen."
Stellungnahme
Die Entscheidung ist inhaltlich richtig. Die Vorzüge des Verbraucherbauvertrages betreffen Verträge "zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude". Bei dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um ein Teilgewerk, nämlich jenes der Putzarbeiten. Die Arbeiten waren für die Beklagten zwar Teil eines Neubaus. Der Vertrag zwischen den Parteien war aber kein Vertrag über die Errichtung eines Gebäudes oder über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude. Der Vertrag war ein Bauvertrag im Sinne des §650a BGB, sodass die Beklagten die Sicherheit gemäß § 650f BGB zu leisten hatten.