RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der BGH hatte am 22.02.2018 (Aktenzeichen: VII ZR 46/17) mit seiner Entscheidung zur Berechnung des Schadenersatzes im Werkvertragsrecht für Aufsehen gesorgt. Denn seither gilt, dass zumindest im Werkvertragsrecht ein Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB nicht mehr anhand von fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden kann. Vielmehr ist ein Schaden seither beispielsweise im Rahmen einer Vermögensbilanz zu berechnen oder als Minderungsbetrag zu schätzen. Unsere Entscheidungsbesprechung zum Urteil des BGH finden Sie hier.
Dieser vom BGH neu aufgestellte Grundsatz zur Berechnung des Schadens gilt allerdings nicht immer. Nach hiesiger Auffassung kann dieser schon im Kaufrecht keine Anwendung finden, da das Kaufrecht einen Vorschussanspruch, wie dieser im Werkvertragsrecht unter § 637 Abs. 3 BGB geregelt ist, nicht kennt. Gem. § 437 BGB kann der Käufer einer mangelhaften Sache lediglich Nacherfüllung und Schadenersatz verlangen, den Kaufpreis mindern oder aber vom Kauf zurücktreten. Würde der oben dargestellte Grundsatz zur Berechnung des Schadens auch im Kaufrecht gelten, dann würden sich für den Besteller immer gleich zwei schwerwiegende Probleme stellen: Zum einen müsste der Käufer das Kaufobjekt stets zuerst auf eigene Kosten reparieren lassen und könnte erst im Anschluss hieran Schadenersatz vom Verkäufer verlangen. Zum anderen würde der Käufer das Kaufobjekt ja reparieren lassen und damit ggf. notwendige Beweismittel verändern bzw. vernichten. Projiziert man diesen Gedanken einmal auf eine Kleinfamilie, die gerade eine gebrauchte Immobilie erworben hat, dann könnte eine aufgrund verschwiegener Mängel notwendige Dachsanierung schon finanzielle Probleme bereiten. Im Werkvertragsrecht gibt es diese Problematik so nicht, da der Besteller gem. § 637 Abs. 3 BGB Vorschuss zur Beseitigung der notwendigen Mängel verlangen kann.
Zu dieser Thematik, der Anwendbarkeit der fiktiven Schadensberechnung im Kaufrecht, gibt es bisher wenig Rechtsprechung. Einzig das OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.10.2018, Aktenzeichen: I-24 U 194/17) hat sich hierzu geäußert und lehnt eine Anwendung der Rechtsprechung des BGH auch im Kaufrecht ab.
Das Landgericht München I hatte sich in dem Zusammenhang am 09.11.2018 (Aktenzeichen: 2 O 11810/16) mit einer interessanten Frage zur fiktiven Kostenberechnung eines Schadens zu befassen. Dort hatte der Auftraggeber den Auftragnehmer mit der Reinigung einer Glasfassade zu etwa 30.000,00 EUR beauftragt. Der Nachunternehmer des Auftragnehmers zerkratze einen Teil der Glasfassade durch die fehlerhafte Verwendung von abrasiven Reinigungsmittel. Der Auftraggeber verlangte daraufhin Schadenersatz und zwar auf Basis einer fiktiven Kostenberechnung.
Das Landgericht München I sprach dem Auftraggeber Schadenersatz auf Basis des fiktiv berechneten Schadens zu. Als Begründung führte das Gericht aus, dass es sich vorliegend nicht um einen Schaden aus einem Mangel handele, sondern um einen Begleitschaden. Denn der Werkerfolg – das Reinigen der Scheiben – sei eingetreten und die Leistung damit ordentlich sowie mangelfrei erbracht. Es bestehe daher kein Schadenersatzanspruch aus den werkvertraglichen Mangelrechten (§ 637 BGB), sondern ein Schadenersatzanspruch aus dem allgemeinen Schuldrecht (§ 280 BGB). Die Einordnung des Anspruchs ist auch richtig, da eine Nachbesserung der Werkleistung – sprich die nochmalige Reinigung der Fensterscheiben – die Kratzer nicht beseitigen würde. Der Schaden kann daher als „Begleitschaden“ klassisch gem. § 249 BGB auch fiktiv berechnet werden, was nach hiesiger Auffassung auch richtig ist.