RAin Julia Studt, RAe Dr. Hantke & Partner
In seinem Beschluss vom 15.06.2018 (Az.: 2 UF 41/18) hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. nun entschieden, dass die Nutzung eines Smartphones sowie der Zugang zum Internet nicht grundsätzlich dem Kindeswohl schaden würde. Das bestehende Schädigungspotential sei in etwa vergleichbar mit einer Ernährung mit zu viel ungesunder Nahrung (“Junkfood“).
Was war passiert?
Die beteiligten Eheleute lebten seit Juli 2017 voneinander getrennt. Vor dem Amtsgericht Bad Hersfeld stritten die Beteiligten nunmehr über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre gemeinsame 8-jährige Tochter. Im Rahmen des Verfahrens wurde dem Gericht unter anderem durch die gerichtliche Anhörung der Tochter auch bekannt, dass sie über einen freien Zugang zum Internet, Computer und Tablet der Mutter sowie über ein eigenes Smartphone verfügte. Das Gericht übertrug sodann durch Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge auf die Mutter. Des Weiteren gab das Gericht der Mutter auf, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Form von Sozialpädagogischer Familienhilfe in Anspruch zu nehmen und mit dem Jugendamt jederzeit und umfänglich zu kooperieren. Darüber hinaus wurde der Mutter durch das Gericht aufgegeben, feste Regeln für die Nutzung der im Haushalt verfügbaren Medien festzusetzen und sodann auch umzusetzen. Zudem wurde der Mutter noch auferlegt, der Tochter kein Smartphone mehr zur Verfügung zu stellen. Sollte die Tochter anderweitig in den Besitz eines Smartphones kommen, so sollte die Mutter der Tochter dieses entziehen. Diese Auflage wurde befristet bis die Tochter 12 Jahre alt ist.
Weder von Seiten des Jugendamtes noch des Verfahrensbeistandes des Kindes war das Thema der Mediennutzung thematisiert worden. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die erteilten Auflagen notwendig seien, um das Kindeswohl zu schützen. Der freie und unkontrollierte Medienzugang der erst 8-jährigen Tochter begründe eine konkrete Gefahr für die seelische Entwicklung des Kindes.Insbesondere durch den unkontrollierten Zugang zu Seiten wie „YouTube“ bestehe die dringende Gefahr, dass die Tochter mit nicht altersgerechten Inhalten in Kontakt kommen könnte, welche der seelischen Entwicklung schaden könnten. Aufgrund dessen habe die Mutter strenge Regeln hinsichtlich der Mediennutzung aufzustellen, damit eine Gefährdung des Kindeswohls verhindern werden könnte.
Sowohl der Vater als auch die Mutter sowie der Verfahrensbeistand des Kindes legten gegen die Erteilung der Auflagen durch das Gericht Beschwerde beim OLG Frankfurt a. M. ein.
Entscheidung des Gerichts
Das OLG Frankfurt a. M. gab der Beschwerden der Beteiligten statt und änderte den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend, dass die an die Mutter erteilten Auflagen zur Mediennutzung entfielen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht blieb jedoch weiterhin bei ihr.
Das OLG stimmte der Entscheidung des Amtsgerichts zwar insoweit zu, dass von Amts wegen gemäß § 1666 BGB Maßnahmen vom Gericht ergriffen werden können, soweit dieses im Interesse des Kindeswohls erforderlich sei. Die Voraussetzungen sah das OLG im vorliegenden Fall jedoch als nicht gegeben an. Maßnahmen nach § 1666 BGB sind danach grundsätzlich dann zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet wird. § 1666 BGB gestaltet sich danach als Ausprägung des in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG verankerten Wächteramtes des Staates, das dem Schutz des Kindes bei Gefährdung seines Wohls dient. Da hierdurch aber auch in die Rechte der Eltern eingegriffen wird und daher zumindest Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG tangiert sind, bedarf es hoher Anforderungen für einen solchen Eingriff des Gerichtes.
Deswegen muss für gerechtfertigte Maßnahmen gemäß § 1666 BGB eine positive Feststellung dahingehend getroffen worden sein, dass bei Beibehaltung der gegebenen Umstände ein Eintritt eines Schadens zum Nachteil des Kindes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist. Diese Umstände würden jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben sein. Allein die Zugangsmöglichkeit zu Internet, Smartphones und Tablets rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass das Kindeswohl durch die entsprechende Nutzung gefährdet sein könnte. Für eine solche Annahme müssten weitere Anhaltspunkte hinzutreten wie bspw. die Kenntnis, dass das Kind hierdurch nicht altersgerechte Computerspiele nutzt etc.
Das OLG vergleicht hierbei die Zugangsmöglichkeit zu Internet, Smartphones und Co. als ähnlich gefährlich wie den übermäßigen Konsum von ungesunder Nahrung („Junkfood“) oder zu ausgedehnten Fernsehzeiten. Diesen Gefahren allerdings entgegenzuwirken sei zunächst grundsätzlich Aufgabe der Eltern und nicht der Gerichte.