RA Bernd Gildemeister, RAe Dr. Hantke & Partner
Die Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen des Werkunternehmers gegenüber dem Auftraggeber ist seit jeher problematisch und in der Durchsetzung äußerst schwierig.
Beim VOB-Vertrag kann der Werkunternehmer gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B bei Behinderung oder Unterbrechung der Ausführung seiner Leistung Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens verlangen, wenn die hindernden Umstände vom Auftraggeber zu vertreten sind. Der Schadensersatzanspruch setzt jedoch ein Verschulden des Auftraggebers an der Unterbrechung bzw. Behinderung voraus und entgangener Gewinn kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit verlangt werden. Außerdem setzt der Schadensersatzanspruch voraus, dass der Unternehmer dem Auftraggeber die Behinderung unverzüglich schriftlich anzeigt, es sei denn, die Behinderung und deren hindernde Wirkungen für die Ausführung der Leistung des Unternehmers sind für den Auftraggeber offenkundig.
Der Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B des Unternehmers scheitert aber regelmäßig schon daran, dass dem Auftraggeber nicht nachgewiesen werden kann, dass er die Behinderung bzw. Unterbrechung der Ausführung zu vertreten hat. Denn grundsätzlich hat der Auftraggeber nach gefestigter Rechtsprechung des BGH gegenüber dem Nachunternehmer nicht etwaige Verzögerungen der Vorgewerke zu vertreten, da diese im Hinblick auf die mängelfreie und fristgerechte Erfüllung ihrer Werkleistung nicht Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers gegenüber dem Nachfolgenden.
Außerdem erfordert der Nachweis des durch die Behinderung bzw. Unterbrechung entstandenen Schadens nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine sogenannte bauablaufbezogene Darstellung. Das heißt der Unternehmer muss durch eine Gegenüberstellung des hypothetischen Bauablaufes ohne das hindernde Ereignis mit dem tatsächlichen Bauablauf in Folge des hindernden Ereignisses substantiiert darlegen, welcher Schaden ihm konkret durch das hindernden Ereignis entstanden ist. Das bereitet erfahrungsgemäß insbesondere bei größeren Baustellen fast unüberwindliche Schwierigkeiten, insbesondere wenn der Unternehmer bei einer Behinderung in einem Bauabschnitt bzw. einem Bauteil stattdessen in einem anderen Bauteil verstärkt Leistung hätte erbringen können. Beim BGB-Werkvertrag stellt sich die Lage nicht wesentlich anders dar. Hier kann der Unternehmer im Falle der Behinderung bzw. Unterbrechung der Ausführung vom Auftraggeber Schadensersatz nach §§ 280, 281 BGB verlangen. Auch dieser Anspruch setzt jedoch ein Verschulden des Auftraggebers an der Behinderung bzw. Unterbrechung voraus und erfordert ebenfalls den Nachweis des entstandenen Schadens in Form einer bauablaufbezogenen Darstellung.
Neben den vorgenannten, in der Regel nur schwer durchsetzbaren Schadensersatzansprüchen steht dem Unternehmer sowohl beim VOB-Vertrag als auch beim BGB-Werkvertrag ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB zu. Dieser Entschädigungsanspruch setzt nicht voraus, dass der Auftraggeber die Behinderung oder Unterbrechung der Ausführung zu vertreten hat. Viel mehr ist die Entschädigung verschuldensunabhängig zu leisten.
Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB setzt lediglich voraus, dass der Auftraggeber eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werkes erforderlich ist und der Auftraggeber hierdurch in Annahmeverzug gerät. Voraussetzung ist eine erforderliche Mitwirkungshandlung des Auftraggebers bei der Herstellung des Werkes. Hierunter fällt zum Beispiel die Termingerechte zur Verfügungstellung des Bauvorhabens bzw. der baulichen Vorleistungen, damit der Unternehmer die von ihm geschuldete Leistung erbringen kann. Ferner setzt § 642 BGB neben der fehlenden oder nicht rechtzeitigen Mitwirkungshandlung des Auftraggebers voraus, dass der Unternehmer zur Leistung bereit und im Stande ist und seine Leistung dem Auftraggeber wie geschuldet angeboten hat.
Nach der Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2017 (BGH VII ZR 16/17) umfasst der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB jedoch nicht die Mehrkosten und gestiegenen Lohn- und Materialkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzuges des Auftraggebers in Folge des Unterlassens einer ihm obliegenden Mitwirkungshandlung aber erst nach dessen Beendigung anfallen, nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung.
Solche Entschädigungsansprüche seien weder nach dem Wortlaut noch der gesetzgeberischen Intension von § 642 BGB gedeckt. Dieses bedeutet für die Praxis Folgendes:
Kommt es zu einer Behinderung oder Unterbrechung der Ausführung aufgrund zum Beispiel fehlender bauseitiger Vorleistungen, kann der Unternehmer gemäß § 642 BGB im Falle des Annahmeverzuges des Auftraggebers lediglich Entschädigung für die von ihm nachgewiesenen Schäden bzw. zusätzlichen Kosten für den Zeitraum der Behinderung verlangen. Dieses sind zum Beispiel Stillstandskosten für Baustelleneinrichtungen oder Baugeräte bzw. Personalkosten, weil die für das Bauvorhaben eingeplanten Bauarbeiter nicht anderweit bzw. nicht mit der kalkulierten Effizienz auf der Baustelle während des Behinderungszeitraums eingesetzt werden können.
Nicht unter den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB fallen hingegen die viel gravierenden Folgeschäden, die dem Unternehmer möglicherweise entstehen, weil sich die Fertigstellung des Bauvorhabens bzw. der Werkleistung des Unternehmers in Folge der Behinderung bzw. des Baustillstandes entstehen. Es handelt sich hierbei zum Beispiel um eine etwaige Steigerung der Lohn- und Materialkosten bzw. zusätzliche Bauleistungskosten.
Liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 280, 281 BGB nicht vor, so kann der Unternehmer für diese Kostensteigerungen vom Auftraggeber allenfalls eine Vergütungsanpassung nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) verlangen, wenn ihm das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist. Die Voraussetzungen an die fehlende Zumutbarkeit sind nach der Rechtsprechung aber recht hoch und die Durchsetzung dieses Anspruches ist mit erheblichen Risiken behaftet.
Dauert eine etwaige Unterbrechung der Ausführung länger als drei Monate, kann der Unternehmer beim VOB-Vertrag den Vertrag gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B schriftlich kündigen. Um diese Kündigungsmöglichkeit zu unterlaufen, versucht der Auftraggeber in solchen Fällen regelmäßig, den Unternehmer mit minimalen Leistungen auf der Baustelle weiter zu beschäftigen, so dass es nicht für einen Zeitraum von länger als drei Monaten zu einem kompletten Stillstand seiner Ausführung kommt. Dem Unternehmer bleibt dann nur noch die Möglichkeit, den Vertrag nach § 9 Abs. 1. VOB/B bzw. § 643 BGB zu kündigen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und den Auftragnehmer dadurch außerstande setzt, die Leistung auszuführen. Die Kündigung ist schriftlich zu erklären und erst zulässig, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und erklärt hat, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde.
Ob eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit besteht und ob die rechtlichen Voraussetzungen hierfür korrekt geschaffen wurden, bedarf also in jedem Fall einer fachkundigen Prüfung und Beratung durch einen erfahrenen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.