RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der BGH hat mit Urteil vom 13.01.2017 (BGH V ZR 96/16) entschieden, dass der nachträgliche Einbau eines Personenaufzugs durch einen Wohnungseigentümer auf eigene Kosten grundsätzlich nur mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erfolgen kann. Ein solcher Einbau begründe in aller Regel – anders als etwa der Einbau eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe – auch dann einen Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG für die übrigen Wohnungseigentümer, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer aufgrund einer Gehbehinderung auf den Aufzug angewiesen wäre, um seine Wohnung zu erreichen.
Zum Sachverhalt:
Der 1936 geborene Kläger ist Wohnungseigentümer einer Wohnung im fünften Stock einer Mehrhausanlage. Ein Aufzug ist dem zugehörigen Treppenhaus nicht vorhanden. Der Kläger sowie fünf weitere Eigentümer beantragten in einer Eigentümerversammlung erfolglos den Einbau eines geräuscharmen sowie energieeffizienten Personenaufzuges auf eigene Kosten in einem bislang offenen Schacht in der Mitte des Treppenhauses eines Hauses der Wohnanlage. Der Kläger stützt sein Interesse an dem Einbau des Aufzugs u.a. darauf, dass er wegen seiner schwer behinderten Enkeltochter auf den Aufzug angewiesen sei, da diese sich häufig bei ihm und seiner Frau aufhalte.
Zunächst hatte der Kläger vor dem Amtsgericht Cottbus, mit seinem auf Duldung der Einbaumaßnahme eines Personenaufzuges gerichteten Antrags, keinen Erfolg. Der Kläger stellte im landgerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) seine Anträge insoweit um, als dass er (vereinfacht dargestellt) sich bereit erklärte nach Auszug oder Beendigung der Nutzung den Aufzug sachgerecht vollständig zurückzubauen und beantragte hilfsweise eine Entscheidung nach billigem Ermessen. Das Landgericht gab dem Hilfsantrag des Klägers statt und entschied, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den Einbau sowie den späteren Ausbau eines geräuscharmen sowie energieeffizienten Personenaufzuges auf Kosten des Klägers zu dulden habe.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hebt die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) auf und weist die Klage im Ergebnis ab.
In den Leitsätzen führt der BGH aus, dass der Einbau eines Personenaufzuges grundsätzlich nur mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erfolgen kann und zusätzlich durch diese Maßnahme ein Sondernutzungsrecht entstehe, wofür es einer zusätzlichen Vereinbarung bedürfe. Der BGH erläutert, dass letztlich kein Anspruch des Sondereigentümers bestehe, welcher im Rahmen der gerichtlichen Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG durchgesetzt werden könne.
Der vom Kläger gewünschten Maßnahme müssen laut BGH sämtliche Eigentümer zustimmen, da den übrigen Eigentümern durch den Einbau des Aufzuges ein Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG bestehe, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Der BGH begründet seine Auffassung damit, dass der Einbau eines Personenaufzuges über die Anbringung eines einfachen Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe deutlich hinausgeht. Bei einem Einbau eines Treppenlifts sei bspw. ein Nachteil nicht gegeben, wenn ein bauwilliger Wohnungseigentümer unter einer erheblichen Gehbehinderung leide und eine maßgebliche eingehende, konkrete und einzelfallbezogene Abwägung der divergierenden geschützten Interessen stattfinde. Der Einbau eines Treppenlifts kann jedoch auch dann schon nachteilig sein, wenn die daraus resultierende Verengung des Treppenhauses bauordnungsrechtlich unzulässig wäre.
Im Ergebnis sieht der BGH einen wesentlichen Nachteil darin, dass ein erheblich größerer Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums erforderlich wäre. Aufgrund der bauordnungsrechtlichen Vorschriften sei eine Schachtgrube zu erstellen, Durchbrüche, Aussparungen, Maurer-, Putz, Maler- und Anschlussarbeiten notwendig; hinzu kämen Elektroinstallationen, Licht, Strom, Notrufleitungen, Belüftung und Rauchableitungen. Den Betreiber (hier der Kläger) träfen Pflichten im Hinblick auf die Wartung des Aufzuges, welche den Kläger finanziell überfordern könnten. Ebenso würde der Rückbau des Aufzuges einen enormen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum notwendig machen und wäre mit erheblichen Kosten verbunden, die dann wiederum den Kläger (ggf. sogar die Erben) treffen würden. Auch hier wäre eine finanzielle Überforderung möglich. Der BGH sieht die Installation eines Aufzuges daher nicht als temporäre Maßnahme an für die eine Sicherheit hinterlegt werden könnte. Die Kosten für Wartung und den späteren Ausbau wären insofern nicht planbar.
Eine Beschlussersetzung verneint der BGH darüber hinaus, weil es an einer Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer fehle, da mit dem Einbau des Aufzuges ein Sondernutzungsrecht geschaffen werde. Der Gebrauch des Aufzuges wäre – in dem vom BGH zu entscheidenden Fall – nur einigen Eigentümern vorbehalten geblieben. Wegen des Entzugs der Befugnis zum Mitgebrauch nach § 13 Abs. 2 WEG kann daher auch nur eine Vereinbarung ein solches Sondernutzungsrechts gewähren.
Stellungnahme:
Im Grundsatz überrascht die Entscheidung des BGH letztlich nicht. In der Tat ist die Installation eines Personenaufzuges ein immenser Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums und dürfte grundsätzlich auch nicht als temporäre Maßnahme vermittelbar sein. Schon die Planung und der tatsächliche Ein- und Ausbau dürften sich über einen mehrmonatigen Zeitraum strecken. Zudem dürfte in der Regel als Alternative der Einbau eines Treppenlifts als minder schwere Maßnahme zur Verfügung stehen.
Dem Urteil des BGH lässt sich aber auch entnehmen, dass es durchaus Fälle geben könnte, indem der Einbau eines Personenaufzuges nicht als zwingend nachteilig für die übrigen Wohnungseigentümer angesehen werden muss.
Im Übrigen machte der BGH in seiner Entscheidung deutlich, dass eine entsprechende Anwendung der mietrechtlichen Vorschrift aus § 554a Abs. 1 BGB – wonach der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen kann, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind – nicht in Betracht kommt, da es an einer planwidrigen Regelungslücke im Wohnungseigentumsrecht mangelt.