RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der BGH hat mit Urteil vom 19.01.2017 (BGH VII 301/13) eine lang offen gebliebene Frage beantwortet: So soll der Besteller grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 BGB geltend zu machen. Damit hat sich der BGH gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit der werkvertraglichen Mängelrechte vor Abnahme entschieden. Die erhebliche Zäsurwirkung der Abnahme wurde also nicht aufgelockert und bleibt dem Werkvertragsrecht damit erhalten.
Zum Sachverhalt:
Der Besteller beauftragte den Unternehmer mit der Erneuerung der Fassade. Vertraglich hatte man vereinbart, dass u.a. ein Keimfarbenanstrich erfolgen sollte. Nach Ausführung der Arbeiten kam es nicht zu einer Abnahme. Der Besteller rügte Mängel und forderte unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf. Der Unternehmer wies eine Mangelhaftigkeit auf Grundlage eines Privatgutachtens zurück.
Der Besteller leitete daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in welchem letztlich die mangelhafte Ausführung des Fassadenanstrichs festgestellt wurde. Mit der anschließenden Klage begehrt der Kläger nunmehr Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung in Höhe von € 43.493,90. Die Parteien stritten sich bereits in den erstinstanzlichen Verfahren um die Frage, ob ein Kostenvorschuss vor Abnahme der ausgeführten Arbeiten verlangt werden kann. Im erstinstanzlichen Verfahren machte der Kläger insofern hilfsweise Schadenersatz geltend.
Das Landgericht Landshut gab der Klage statt, während das OLG München die Berufung zurückwies. Das OLG München führte aus, dass die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung dem Besteller den Weg zu § 280 BGB eröffne oder aber zum werkvertraglichen Gewährleistungsrecht. Die Gewährleistungsrechte bestünden, da der Besteller sonst schlechter stehen würde, als der Besteller, der das Werk in Unkenntnis der Mängel abgenommen habe.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hat die Entscheidung des OLG München aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung zurückgewiesen.
In den Leitsätzen führt der BGH aus, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks geltend machen. Der Besteller soll aber berechtigt sein, die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend machen zu können, wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Der BGH entscheidet damit über die bestehenden Rechte des Bestellers vor und nach Abnahme: Vor Abnahme soll dem Besteller das Recht auf „Herstellung des Werks“ gemäß § 631 Abs. 1 BGB zustehen. Mit der Abnahme soll der Herstellungsanspruch entfallen und der Anspruch des Bestellers auf Nacherfüllung gemäß §§ 634 Nr. 1, 635 BGB entstehen. Der BGH geht insoweit davon aus, dass der Herstellungsanspruch und der Nacherfüllungsanspruch nicht nebeneinander bestehen können, da § 635 Abs. 3 BGB dem Unternehmer weitergehende Rechte eröffnet. Zudem leben mit der Abnahme auch die weiteren Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB auf.
Der Besteller soll die Mängelrechte gemäß § 634 Nr. 2 bis 4 BGB allerdings auch ohne Abnahme geltend machen können, wenn er die Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergangen ist. Die Entstehung eines Abrechnungsverhältnisses bejaht der BGH bisher in dem Fall, bei welchem der Besteller Minderung gemäß § 638 BGB oder Schadenersatz statt der Leistung gemäß §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB gegenüber dem Unternehmer geltend macht, da gemäß § 281 Abs. 4 BGB die Leistung dann ausgeschlossen ist.
Der BGH sagt aber ausdrücklich, dass ein Abrechnungsverhältnis nicht entsteht, wenn der Besteller vom Unternehmer Kostenvorschuss gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB verlangt. In dem Fall entstehe ein Abrechnungsverhältnis nur, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent erklärt, die Erfüllung (oder Nacherfüllung) durch den Unternehmer abzulehnen.
Da den erstinstanzlichen Feststellungen nicht entnommen werden konnte, ob eine (Nach-)Erfüllung seitens des Bestellers endgültig abgelehnt wurde und eine Abnahme der Werks nicht vorlag, wurde die Sache zur weiteren Sachverhaltsklärung und Stellungnahme der Parteien zur neuen Rechtsprechung des BGH zurückverwiesen.
Stellungnahme:
Der Entscheidung des BGH (BGH VII 301/13) kommt insbesondere Bedeutung im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Kostenvorschussanspruches gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB zu. Dem Besteller steht dieser Anspruch letztlich erst zu, wenn er die Leistung durch den Unternehmer endgültig verweigert oder das Werk abgenommen hat. Vorher finden die Mängelrechte keine Anwendung. Dies führt dazu, dass auch erst die Verjährung der Mängelrechte mit Erklärung der Abnahme oder endgültiger Verweigerung der Erfüllung beginnt zu laufen.
Vor Abnahme kann der Besteller aber die allgemeinen Leistungsstörungsrechte (u.a. Schadenersatz, Rücktritt, Kündigung) geltend machen. Die Beweislast und die Gefahr des zufälligen Untergangs blieben dann beim Unternehmer.
Im Ergebnis ist die Entscheidung des BGH im Hinblick auf die bisherige Bedeutung der Abnahme im Werkvertragsrecht nur konsequent. Die Abnahme stellt eine Zäsur im Werkvertragsrecht dar. Mit der Abnahme gehen nicht nur die Beweislast und die Gefahren auf den Besteller über, auch wird der Werklohn fällig. Insofern ist es interessengerecht, mit der Abnahme die Erfüllungsrechte untergehen und die Mängelrechte aufleben zu lassen.