RA Dr. Kühnemund, Rechtsanwälte Dr. Hantke & Partner
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) widmet dem Schutz des Verbrauchers weite Teile seiner Paragraphen. So gibt es im Recht der Schuldverhältnisse einen ganzen Untertitel, der sich mit „ den Grundsätzen bei Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen“ beschäftigt; dieses sind die §§ 312 ff. BGB. Dieser Verbraucherschutz ist keine Erfindung des deutschen Gesetzgebers. Diese Regelungen beruhen vielmehr auf der Umsetzung europäischer Richtlinien. Erfasst werden dabei Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Verbraucher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können; Unternehmer ist nach § 14 BGB hingegen eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Nachdem mit der Gesetzesreform ab 2007 die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig geworden war, also im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann (§ 10 Abs. 6 WEG), stellte sich sehr bald die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft denn nun Unternehmer sei, oder gar Verbraucher, oder ob es mal so oder so zu sehen sei, oder ob das vielleicht davon abhänge, ob die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaf, die einzelnen Wohnungseigentümer, Verbraucher oder Unternehmer seien. Schließlich gibt es ja z.B. auch in Hamburg große Anlagen, in welchen ein ganz wesentlicher Teil der Gemeinschaft aus einer Gewerbeeinheit, nämlich einem Einkaufszentrum besteht.
Der BGH hat in einer Entscheidung vom 25.3.2015 (VIII ZR 243/13) diese Frage für seine Verhältnis deutlich beantwortet: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist zumindest dann einem Verbraucher nach § 13 BGB gleichzustellen, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient. Die Gemeinschaft ist also kein Verbraucher, sie ist aber einem Verbraucher gleichzustellen, solange ihr auch nur ein Verbraucher angehört. Und deckt die Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem Rechtsgeschäft lediglich ihren eigenen Bedarf, wie z.B. bei Energielieferungsverträgen, handelt sie in der Regel zum Zweck der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken.
FAZIT: Gehört der Wohnungseigentümergemeinschaft auch nur ein Verbraucher an, also z.B. ein Eigennutzer einer Wohneinheit, und schließt die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, Verträge zur Deckung ihres Energieverbrauches, wird sie wie ein Verbraucher behandelt. Und zur Deckung des Energieverbrauches gehören nicht nur Gaslieferungsverträge, sondern auch der Einkauf von Heizöl.
Verbraucher im rechtlichen Sinne zu sein, bedeutet im Kontext der europäischen Rechtsordnung, schutzbedürftig zu sein. Und zu diesem Schutz gehört es auch, bestimmte Arten von Verträgen innerhalb bestimmter Fristen widerrufen zu dürfen. Hierzu gehören Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden (früher Haustürgeschäfte genannt), aber auch sog. Fernabsatzverträge. Das sind, kurz gefaßt, Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Zu den Fernkommunikationsmitteln gehört alles, womit sich über die Ferne kommunizieren lässt. Manch einer denkt hier zu Recht an das Internet. Die nicht mehr ganz so jungen Leser denken auch an so antiquierte Dinge wie den Brief oder die Postkarte. Aber auch ein Telefax oder ein Telefon gehören zu den Fernkommunikationsmitteln. Und nun wird es spannend: Denn wie bestellt wohl der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft die jährliche Heizöllieferung für die Gemeinschaft? Fährt er etwa persönlich zum Heizölhändler seines Vertrauens? Nein, er ruft ihn an. Und schon haben wir einen Vertrag, der unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen ist, und an welchem die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher beteiligt ist.
Damit landen wir dann bei einer Entscheidung des BGH vom 17.6.2015 (VIII ZR 249/14). Dort hatte ein Verbraucher per Internet – also per Fernkommunikation – Heizöl bestellt. Und noch bevor das schwarze Gold geliefert werden sollte, fiel der Heizölpreis erheblich. Der Verbraucher teilte dem Händler mit, er wolle die Lieferung nicht mehr, er storniere sie. Rechtstechnisch war das ein Widerruf. Und jedem Verbraucher steht bei Fernabsatzverträgen innerhalb bestimmter Fristen ein Widerrufsrecht zu, § 312g BGB. Der BGH hatte zu entscheiden, ob das auch bei Heizöl gilt, den § 312g BGB enthält in Absatz 2 eine Reihe von Fällen, in denen das Widerrufsrecht entfällt. Dazu gehören z.B. Verträge zur Lieferung von Waren, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Um es abzukürzen: Der BGH kam in der Entscheidung vom 17.6.2015 zu dem Schluss, dass das nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht für die Lieferung von Heizöl gelte. Man könne den Wortlaut zwar anders verstehen, die Regelung solle aber vorwiegend spekulative Geschäfte erfassen, und dazu gehöre das Heizöl nicht.
Aber Achtung: Ist das Heizöl erst einmal im Tank, ist ein Widerruf nach § 312g Abs. 2 Nr. 4 BGB nicht mehr möglich, weil sich dann das gekaufte Öl mit dem Restbestand im Tank vermischt hat.