RA Dr. Kühnemund, RAe Dr. Hantke & Partner
Das Amtsgericht Hamburg St. Georg hatte in einer Entscheidung vom 17.12.2021 (980a C 24/21- ZMR 2022, 326) einen interessanten Fall, aus dem man als Verwalter und Eigentümer eine Menge lernen kann.
Kurz zusammengefasst: Die Eigentümer beschlossen auf einer Versammlung die Erneuerung der Briefkastenanlage. Kurz und knapp war dieser Beschluss gefasst, es wurde dann noch beschlossen, welches der drei vorliegenden Angebot beauftragt werden sollte. Das war es, jedenfalls zunächst. Denn im Nachgang focht ein Eigentümer diesen Beschluss an u.a. mit dem Argument, er entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Briefkastenanlage sei nämlich gar nicht defekt, sie müsse gar nicht erneuert werden. Diese Behauptung hatte er im Prozess auch ausreichend dargelegt/bewiesen. Das Amtsgericht kam also zutreffend zu dem Schluss, dass der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, denn was nicht defekt ist, muss auch nicht erneuert werden.
Die Beklagte GdW (früher: WEG) verteidigt sich mit einem vordergründig guten Argument, sie sagte sinngemäß: Na ja, kann ja vielleicht sein, aber dann wäre es doch ein zulässiger Beschluss nach § 20 WEG, nämlich über eine bauliche Veränderung. Selbst wenn die Briefkastenanlage nicht defekt sei, könnten die Eigentümer nach neuem Recht doch auch mit Mehrheit über eine bauliche Veränderung beschließen. Und die Mehrheit habe ja vorgelegen.
Und diesem Argument schiebt das Amtsgericht zu Recht einen Riegel vor: „Die rechtliche Qualifikation einer beschlossenen Maßnahme kann aber nicht offen bleiben (oder von den Eigentümern vorgegeben werden), sondern obliegt im Zweifel dem Tatrichter anhand einer Auslegung des Beschlussgegenstandes. Jedenfalls dann, wenn eine Maßnahme in der Sache als Erhaltung beschlossen wird, ist sie auch an den dafür geltenden rechtlichen Maßstäben zu messen. Dies gilt unabhängig davon, ob unter den eigentlichen tatsächlichen Begebenheiten (hier: kein Defekt an den Briefkastenanlagen, s.u.) die Voraussetzungen einer anderen Rechtsgrundlage erfüllt wären bzw. die Eigentümer von ihrem Ermessen in der Weise hätten Gebrauch machen können und wollen, dass sie einer „Versteinerung“ ihrer Anlage entgegenwirken und aus Gründen der Ästhetik und/oder für eine Anpassung der Einrichtungen ihrer Gebäude an den Stand der Technik eine Erneuerung beschließen.“
Die Eigentümer hätten also durchaus mehrheitlich eine bauliche Veränderung beschließen können. Dann hätten sie aber bereits im Beschluss auch deutlich machen müssen, dass es um eine solche bauliche Veränderung geht. Warum ist das so wichtig? Das sagt das Amtsgericht in den veröffentlichten Entscheidungsgründen nicht, aber es liegt auf der Hand: Es ist eine Frage der Kostenfolge. Die Kosten einer Erhaltungsmaßnahme haben alle Eigentümer in der Regel nach MEAT zu tragen, sofern nicht nach § 16 Abs. 2 WEG etwas anderes beschlossen wird. Die Kosten einer baulichen Veränderung durch die GdW tragen (in der Regel) nur die Eigentümer, die ihr auch zustimmen. Es macht also einen Unterschiede für die abstimmenden Eigentümer und Eigentümerinnen, über was sie da abstimmen. Meinen sie, über eine Erhaltungsmaßnahme abzustimmen, können sie sich sicher sein, dass bei einer Mehrheit am Ende auch alle an den Kosten beteiligt werden. Stimmen sie aber einer baulichen Veränderung zu, tragen am Ende nur sie und die anderen zustimmenden Eigentümer die Kosten. Und das kann ja durchaus einen erheblichen Unterschied machen.
Was folgt also als Praxistipp für Verwaltung und Eigentümer: Machen Sie im Protokoll sehr deutlich, über das da abgestimmt wird. Gibt es Instandsetzungsbedarf, soll also über eine Erhaltung abgestimmt werden. Oder ist die Anlage, über die da beschlossen wird, altersgemäß erhalten und in Ordnung, man möchte aber mal was anderes, moderneres haben (also bauliche Veränderung). Wenn aber über bauliche Veränderungen abgestimmt wird, muss im Protokoll wegen der Kostenfolge auch immer festgehalten werden, welche Einheiten dafür gestimmt haben. Dazu werde ich an anderer Stelle aber noch einmal etwas Ausführlicher was schreiben.