RA Dr. Kühnemund, RAe Dr. Hantke & Partner
Die Corona-Pandemie hat das Land überrollt. Und während die Infektionszahlen hoffentlich langsam sinken, beginnt die rechtliche Aufarbeitung diverser Fragen, die vor dieser Pandemie niemand stellen musste.
Dazu gehört auch die Frage, ab wann ein Arbeitgeber eigentlich Erstattung seiner Lohnfortzahlung für einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin verlangen kann, wenn diese bzw. dieser z. B. zwei Wochen aufgrund behördlicher Anordnung in häusliche Absonderung (Quarantäne) geschickt worden war. Ein solcher Fall lag dem Verwaltungsgericht Koblenz vor (Urteil vom 10.05.2021 – 3 K 107/21. KO).
Die dortige Klägerin ist ein Bäckereibetrieb. Zwei Ihrer Arbeitnehmerinnen waren vom zuständigen Gesundheitsamt für zwei Wochen in sogenannte häusliche Absonderung geschickt worden. Die Arbeitgeberin leistete für die zwei Wochen dieser häuslichen Absonderung Lohnfortzahlung und verlangte sodann vom Land Rheinland-Pfalz Erstattung der geleisteten Zahlungen.
Das Verwaltungsgericht sprach der Arbeitgeberin diese Erstattungszahlungen erst ab dem 6. Tag zu. Denn bis dahin, so das Verwaltungsgericht, hatte die betroffene Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB.
§ 616 BGB sieht vor, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgltfortzahlung haben, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung verhindert sind. Das Verwaltungsgericht kommt hier zu dem Schluss, dass fünf Tage noch eine unerhebliche Zeit seien und daher für die ersten 5 Tage ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB bestünde. Eine Erstattung vom Land nach dem Infektionsschutzgesetz könne daher erst ab dem sechsten Tag verlangt werden. Die klagende Arbeitgeberin hatte sich (meines Erachtens zu Recht) darauf berufen, dass hier das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ gelte: Dauert der gesamte Ausfall länger als eine unerhebliche Zeit (hier also länger als 5 Tage), dann greift § 616 BGB nicht mehr und dann besteht ein voller Erstattungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz. Man könne § 616 BGB nicht dahingehend aufsplitten, dass für einen ersten Zeitblock ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB bestünde, danach aber nicht mehr, wenn es sich um ein einheitliches Geschehen handele, weswegen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin an der Erbringung der Leistung verhindert sei.
In den ersten Monaten der Corona-Pandemie hatte sich das Bundesministerium für Arbeit informell schon einmal auf den Standpunkt gestellt, dass eine Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB sogar bis zu zwei Wochen dauern könne, das sei doch ein unerheblicher Zeitraum. Das war aber nur eine „persönliche Meinung“ ohne rechtliche Relevanz, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass es in der Rechtsprechung im Bereich des § 616 BGB immer nur um wenige Tage geht.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Berufung zugelassen, weil es sich hier in der Tat um eine Frage von allgemeinem Interesse handelte. Mit Glück wird sich so etwas, wie die Corona-Pandemie, so schnell nicht wiederholen. Aus der Aufarbeitung der vergangenen Monate wird es aber sicherlich viele Fälle geben, in denen diese Frage hier von Belang ist.
Gut beraten sind an der Stelle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit des § 616 BGB abbedungen haben. Das ist ohne weiteres möglich. Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass § 616 BGB keine Anwendung finden soll. Dann wäre ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach dieser Vorschrift von vornherein ausgeschlossen und der Arbeitgeberin hätte dann vollumfänglich einen Erstattungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz zugestanden.