WEG-Recht: Die Reform des Wohnungseigentumsrechts

RA Dr. Kühnemund, RAe Dr. Hantke & Partner

Im Herbst 2019 lag das Ergebnis einer Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsrechts vor. Es folgte ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium und mit fast sagenhafter Geschwindigkeit ein Regierungsentwurf vom 27.04.2020 (BTDrs. 19/18791). Die erste Lesung im Bundestag fand dann schon am 06.05.2020 statt. Danach stockte der Gesetzgebungsprozess aber. Der Vorgang wurde in die Ausschüsse verwiesen. Dort fand am 27.05.2020 eine ausführlicher Anhörung diverser Sachverständiger stat. Und seitdem ruht der See….; manch Pressemeldung läßt sogar befürchten, dass der See noch eine Weile länger ruhig bleiben wird, denn es gibt wieder grundsätzliche Diskussionen zu einigen Punkten.

Was allerdings in den Diskussionen kaum angegriffen wird, sind die vorgesehenen Änderungen zum Thema der baulichen Veränderungen. Hier werden die bisherigen Regelungen in § 22 WEG komplett aufgehoben, und durch einen § 20 WEG-E ersetzt, der wie folgt lauten soll:

„§ 20 Bauliche Veränderungen

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
3. dem Einbruchsschutz und
4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität
dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind.

(4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.“

Mit dieser Neufassung werden insbesondere drei Ziele verfolgt:

Beschlüsse über bauliche Veränderungen sollen einfacher gefasst werden können. Deshalb genügt für die Beschlussfassung stets die einfache Mehrheit, unabhängig davon, wie viele Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt werden (vergleiche Absatz 1). Zudem ist der Beschluss über eine bauliche Veränderung grundsätzlich nur dann erfolgreich anfechtbar, wenn die bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einzelne Wohnungseigentümer ohne ihr Einverständnis gegenüber den anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt werden (vergleiche Absatz 4).

Es soll jedem Wohnungseigentümer ermöglicht werden, bauliche Veränderungen durchzusetzen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Glasfaseranschluss dienen (vergleiche Absatz 2). Es sollen die Vorschriften klarer als bislang gefasst werden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Die vielfältigen Zweifelsfragen, die das geltende Recht im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen aufgeworfen hat, sollen durch die Neufassung soweit wie möglich beseitigt werden. Insbesondere wird klargestellt, dass jede bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses bedarf, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird (vergleiche Absatz 3). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert werden. Für den bauwilligen Wohnungseigentümer hat der legitimierende Beschluss den Vorteil, dass er durch dessen Bestandskraft Rechtssicherheit gewinnt.

Aufgrund der vereinfachten Möglichkeit, bauliche Veränderungen zu beschließen, bedürfen diejenigen Wohnungseigentümer, die eine bauliche Veränderung ablehnen, weil sie die damit verbundenen Kosten scheuen, besonderen Schutzes. Die nicht bauwillige Minderheit kann nach dem Entwurf zwar nicht mehr ohne weiteres die bauliche Veränderung an sich verhindern. Sie wird aber durch die Vorschriften über die Kostentragung geschützt: Gegen ihren Willen müssen Wohnungseigentümer nur die Kosten bestimmter, vom Gesetz als besonders sinnvoll erachteter Maßnahmen tragen. Andere bauliche Veränderungen können zwar mehrheitlich beschlossen werden, ihre Kosten sind aber allein von der beschließenden Mehrheit zu tragen. Auf diese Weise wird ein angemessener Ausgleich erreicht zwischen dem Interesse der Mehrheit, das gemeinschaftliche Eigentum baulich zu verbessern, und dem Interesse der Minderheit, durch solche Maßnahmen nicht über das notwendige Maß hinaus mit Kosten belastet zu werden.

Regelungstechnisch liegt § 20 WEG-E folgendes Konzept zugrunde:

Absatz 1 sieht vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sowohl selbst bauliche Veränderungen ausführen, als auch einzelnen Wohnungseigentümern die Ausführung baulicher Veränderungen gestatten kann.

Die Absätze 2 und 3 begründen jeweils einen Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Fassung eines Beschlusses nach Absatz 1. Absatz 2 gilt dabei für bestimmte privilegierte Maßnahmen (Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, Einbruchsschutz); Absatz 3 bezieht sich auf Maßnahmen ohne relevante Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer.

Schließlich enthält Absatz 4 zwei allgemeine Veränderungssperren, die einer ordnungsmäßigen Beschlussfassung in jedem Fall entgegenstehen: das Verbot, die Anlage grundlegend umzugestalten, und das Verbot, einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig zu benachteiligen.

Nach diesem Regelungskonzept beschließen die Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen stets nach Absatz 1. Die Absätze 2 und 3 verschaffen dem einzelnen Wohnungseigentümer lediglich einen Anspruch auf eine solche Beschlussfassung, wobei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Fall des Absatzes 2 über die Modalitäten der Durchführung im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entscheidet. Um den Anspruch im Streitfall durchzusetzen, muss der Wohnungseigentümer die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 darlegen und beweisen; notfalls muss er Beschlussersetzungsklage nach § 44 Absatz 1 Satz 2 WEG-E erheben. (Qelle: BTDrs. 19/18791 S. 59/60).

Insgesamt handelt es sich um eine sinnvolle Lösung, welche allerdings in der Praxis auf kaum durchdachte Folgen bei der Jahresabrechnung einer Gemeinschaft stoßen wird: Nehmen wir einmal eine Gemeinschaft mit 30 Eigentümern, die z.B. den Einbau eines Aufzuges im Altbau beschließt. Die Eigentümer 1, 2 und 5 stimmen nicht zu. Sie werden auch die Kosten nicht tragen müssen, auch nicht die späteren Erhaltungskosten. Es wird also einen Verteilungsschlüssel Aufzug geben, mit dem die Kosten nur auf 27 Eigentümer umgelegt werden. Ein Jahr später beschließt die Gemeinschaft, in der weitläufigen Anlage einige Parkbänke aufzustellen. Hier stimmen die Eigentümer 25-30 nicht zu. Hier wird es in den Folgejahren also einen weiteren Umlageschlüssel Parkbank geben, der die Kosten hierfür auf nur 25 Eigentümer verteilt. Und die Herausforderung wird sein, diese Kostenverteilungsschlüssel auch noch in 10 Jahren und nach mehreren Verwalterwechseln nicht aus dem Blick zu verlieren. Zumal die Beschlusssammlung, die ja nach der Reform 2007 gerade einen Überblick auch nach Jahren noch garantieren sollte, wieder abgeschafft wird.

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