RAin Julia Studt, RAe Dr. Hantke & Partner
In seiner Entscheidung vom 03.06.2020 (Az: IV ZR 16/19) hat der BGH klargestellt, dass in einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbarte Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter eine Schenkung i.S.v. § 2325 BGB darstellen kann. Damit stellt der BGH klar heraus, dass zwar grundsätzlich in derartigen Fällen keine ergänzungsbedürftige Schenkung zu bejahen sei, jedoch im konkreten Einzelfall eine Bewertung erfolgen muss und demnach in Ausnahmefällen eben doch eine Schenkung zu bejahen sei.
Was war passiert?
Im Jahr 2008 sowie 2011 erwarb eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus der Ehefrau und späteren Beklagten sowie dem Ehemann und späteren Erblasser, jeweils eine Eigentumswohnung. Hierbei wurden beide Eigentumswohnungen zumindest teilweise finanziert, wobei die Eheleute beide Schuldner der aufgenommenen Darlehen waren. In eine der Wohnungen zogen die Eheleute ein, die andere Wohnung wurde unter dem ortsüblichen Mietzins an den Sohn des Ehemannes aus erster Ehe und späteren Kläger vermietet.
Im Kaufvertrag für die Wohnung, welche im Jahr 2011 erworben wurde, fand sich u.a. folgende Regelung:
„Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung. (…) Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.“
Im Jahr 2014 wurde sodann noch eine ergänzende „Gesellschaftsrechtliche Vereinbarung“ getroffen, mit welcher auch für die Wohnung, welche im Jahr 2008 erworben worden war, oben aufgeführte Regelung getroffen wurde. Im Jahr 2016 wurde sodann ein notarielles Testament geschlossen, mit welchem der Ehemann und späterer Erblasser die Ehefrau zur Alleinerbin einsetzte und seinen Sohn aus erster Ehe als Ersatzerben.
Im Jahr 2017 verstarb sodann der Ehemann. Der Sohn und nunmehriger Kläger forderte von der Ehefrau und nunmehrigen Beklagten die Ermittlung des Wertes der beiden Wohnungen durch ein Sachverständigengutachten jeweils bezogen auf den Todestag sowie auf das Datum des Erwerbes der jeweiligen Wohnungen. Das Landgericht hat zunächst die Klage abgewiesen, das Hanseatische Oberlandesgericht hat der Klage hingegen stattgegeben. Die Beklagte begehrt nunmehr im Rahmen der Revision vor dem BGH die vollständige Klagabweisung weiter.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat die Revision abgewiesen und das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichtes bestätigt. Demnach muss die Beklagte dem Wert der Wohnungen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers sowie zum Zeitpunkt des Erwerbes durch ein entsprechendes Sachverständigengutachten ermitteln.
Der BGH bejahte im vorliegenden Fall die Schenkung i.S.v. § 2325 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Übertragung der Gesellschaftsanteile des Erblassers auf die Beklagte, welche zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Klägers führen würden. Entsprechend habe der Kläger auch einen Anspruch auf Wertmitteilung nach § 2314 BGB, um seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch beziffern zu können.
Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass zwar die höchstrichterliche Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur eine gesellschaftsrechtliche Regelung, nach der bei dem Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt werde (Nachfolgeklausel) und gleichzeitig Abfindungsansprüche ausgeschlossen werden, grundsätzlich keine Schenkung i.S.v. § 2325 BGB darstelle, hierbei sei jedoch stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
Im streitgegenständlichen Fall ließen sich die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nämlich eben gerade nicht anwenden Eine Schenkung wird bei Nachfolgeklauseln mit gleichzeitigem Ausschluss von Abfindungsansprüchen grundsätzlich verneint, damit die Gesellschaft nicht durch Pflichtteilsergänzungsansprüche belastet ist und die Gesellschaft auch nach dem Tod eines Gesellschafters fortgeführt werden könne. Dieser Zweck sollte im streitgegenständlichen Fall gerade nicht verfolgt werden.
Bei der zwischen der Beklagten und dem Erblasser getroffenen Vereinbarung habe eben nicht die Fortführung des Unternehmens im Vordergrund gestanden, vielmehr sollte die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst werden. Zudem war der Zweck der Gesellschaften allein die Wahrnehmung von Eigentümerpositionen für Wohnungen, welche selbstgenutzt bzw. an Familienangehörige vermietet war. Insofern sollte gerade nicht die Gesellschaft bzw. deren Fortführung im Vordergrund stehen, vielmehr diente die Gründung einer Gesellschaft lediglich als Mittel, um den wirtschaftlichen Zweck der Eheleute zu erreichen.
Mit der unentgeltlichen Zuwendung des Gesellschaftsanteils des Erblassers an die Beklagte sei daher eine Schenkung zu bejahen. Entsprechend habe der Kläger auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Fazit
Zunächst scheint es, als würde sich der BGH selbst widersprechen und die bisher aufgestellten Grundsätze missachten. Jedoch zeigt der BGH mit dieser Entscheidung lediglich, dass stets eine konkrete Prüfung im Einzelfall vorgenommen werden muss. Zudem sollten sich Gesellschafter einer Tatsache klar werden: Welcher Zweck steht bei einer Nachfolgeklausel – insbesondere mit Abfindungsausschluss – im Vordergrund? Die Gesellschaft? Oder sollen vielmehr erbrechtliche Ziele verfolgt werden, möglicherweise Pflichtteilsansprüche minimiert werden? Daher sollte bei der Erstellung einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung stets eine Beratung in Anspruch genommen werden, um die erstrebten Ziele auch zu erreichen.