Baurecht: Fiktive Mängelbeseitigungskosten – nun entscheidet wohl der Große Senat des BGH

RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner

Im März diesen Jahres hat der BGH während der stets präsenten Corona-Krise einen Beschluss gefasst, der es aus juristischer Sicht „in sich hat“. Der Beschluss vom 13.03.2020 (BGH V ZR 33/19) ist bisher noch nicht veröffentlicht. Hier geht es daher erstmal zur Pressmitteilung des BGH vom 13.03.2020.

Was hat der BGH entschieden?

Im Prinzip – und das ist hier das Besondere – nichts. Bei dem Beschluss handelt es sich nämlich nicht um einen klassischen Beschluss des BGH, bei welchem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen oder eine inhaltliche Entscheidung in einer Familiensache ergeht. Bei dem Beschluss handelt es sich um Fragen des u.a. für das Kaufrecht zuständigen V. Zivilsenats des BGH an den u.a. für das Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat des BGH.

Es handelt sich hierbei um eine Anfrage gem. § 132 GVG, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will. Eine solche Anfrage ist notwendig um eine Entscheidung des Großen Senats herbeiführen zu können, wenn zwei Zivilsenate in ein und derselben Rechtsfrage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Denn es soll ja tunlichst vermieden werden, dass die verschiedenen Senate des BGH die gleiche Rechtsfrage anders beurteilen.

Solche Entscheidungen des Großen Senats des BGH sind selten – zuletzt hatte der Große Senat am 15.10.2015 (GSZ 1/14) und davor am 23.06.2008 (GSZ 1/08) Beschlüsse gefasst.

Um was geht es?

Der VII. Zivilsenat des BGH hatte mit Urteil vom 22.02.2018 (BGH VII ZR 46/17) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass Schadenersatz im Werkvertragsrecht nicht anhand der fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden kann. Hierrüber hatte ich in unserem Beitrag vom 24.04.2018 berichtet. In der Folge entwickelte sich die Frage, ob die Entscheidung des BGH auch auf das Kaufrecht anzuwenden sei. Auch hierzu hatte ich mit unseren Beiträgen vom 26.02.2019 und zuletzt vom 22.05.2019 berichtet, wobei eine Entscheidung des BGH bisher nicht vorlag.

Nunmehr liegt dem V. Zivilsenat des BGH ein Fall vor, in die Kläger eine Eigentumswohnung erwarben. Da es in der Vergangenheit Feuchtigkeitsprobleme im Schlafzimmer gab, hatte sich der Beklagte im Kaufvertrag verpflichtet, im Falle eines erneuten Auftretens von Feuchtigkeit diese auf seine Kosten zu beseitigen. Es kam wie es kommen musste: Im Schlafzimmer trat erneut Feuchtigkeit auf und der Beklagte beseitigte diese nicht. Daraufhin machten die Kläger den Nettobetrag der voraussichtlich anfallenden Mängelbeseitigungskosten auf Basis eingeholter Angebote geltend. Das Landgericht Krefeld gab der Klage insoweit statt. Das Berufungsgericht hielt die Entscheidung des Landgerichts, sodass der Beklagte Revision beim BGH einlegte.

Der V. Zivilsenat teilt nun offenbar die Auffassung des VII. Zivilsenats nicht, wonach sich in solchen Konstellationen Schadenersatz nicht auf fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend machen lässt. Daher hat der V. Zivilsenat folgende Anfrage an den VII. Zivilsenat gestellt (Auszug aus der Pressemitteilung vom 13.03.2020):

„Die Anfrage betrifft zwei Rechtsfragen. Zum einen wird angefragt, ob der VII. Zivilsenat an der in dem Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) vertretenen Rechtsauffassung festhält, wonach der "kleine" Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten berechnet werden darf. Zum anderen wird angefragt, ob der VII. Zivilsenat daran festhält, dass sich ein Schadensersatzanspruch des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf Vorfinanzierung "in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 67 zu § 280 Abs. 1 BGB).“

Wie geht es nun weiter?

Der VII. Zivilsenat wird sich zu der Anfrage des V. Zivilsenats äußern müssen. Er wird erläutern müssen, ob er seine Rechtsauffassung aufrechterhält. Meiner Auffassung nach wird der VII. Zivilsenat an seiner Rechtsauffassung festhalten. Denn mit seiner Entscheidung vom 22.02.2018 hat er ja grundlegende Änderungen bei der Bemessung des Schadensersatzes definiert; und solche grundlegenden Änderungen werden ja nicht unüberlegt entworfen und beim ersten Gegenwind direkt wieder verworfen. Der Hintergedanke der Änderungen bei der Schadensbemessung war letztlich die Vermeidung einer Überkompensation des Geschädigten, die es seit jeher im Werkvertragsrecht gegeben hat und ein Dorn im Auge vieler war. Und deshalb wird der VII. Zivilsenat des BGH an seiner Auffassung festhalten. Sodann wird es zum „Showdown“ beim Großen Senat kommen, wenn diesem die Rechtsfrage vorgelegt wird.

Es bleibt also spannend bei der Frage der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten.

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