RA Bernd Gildemeister, RAe Dr. Hantke & Partner
1.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für Jedermann unmöglich ist.
Das Gesetz unterscheidet also nicht zwischen subjektivem Unvermögen und objektiver Unmöglichkeit. Das heißt, es kommt nicht darauf an, ob nur der nach dem Vertragsverhältnis verpflichtete Auftragnehmer den Vertrag nicht erfüllen kann (subjektive Unmöglichkeit) oder ob jeder Unternehmer den Vertrag nicht erfüllen kann (objektive Unmöglichkeit). In beiden Fällen ist der Anspruch des Auftraggebers auf die Leistung ausgeschlossen.
2.
§ 275 Abs. 1 BGB gilt auch für die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit. Das heißt, der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung ist auch ausgeschlossen, wenn der Auftragnehmer die Unmöglichkeit bzw. das Unvermögen zur Vertragserfüllung zu vertreten hat. Allerdings kann der Auftraggeber (Gläubiger) gemäß §§ 283 bzw. 281 BGB Schadensersatz vom Auftragnehmer verlangen, wenn dieser die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat.
Die Corona-Krise dürfte von keiner Vertragspartei, das heißt weder vom Auftragnehmer noch vom Auftraggeber zu vertreten sein. Vielmehr dürfte es sich bei der Corona-Krise wohl grundsätzlich um einen Fall höherer Gewalt handeln. Unter höherer Gewalt versteht die Rechtsprechung ein Ereignis, welches nicht der Sphäre einer der Vertragsparteien zugeordnet werden kann, sondern von außen auf die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit oder einer bestimmten Vielzahl von Personen einwirkt und objektiv unabwendbar sowie unvorhersehbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004, Az. III ZR 108/03).
Am Merkmal der „Unvorhersehbarkeit“ könnte es allerdings fehlen, wenn der Auftragnehmer nach Ausbruch der Corona-Pandemie einen Vertrag schließt, ohne im Vertrag zu vereinbaren, dass er von seiner Leistungspflicht dauerhaft oder vorübergehend leistungsfrei wird, solange die Erbringung der Leistung objektiv oder subjektiv unmöglich ist. Der Vertrag bleibt dann wirksam und der Auftraggeber kann gegebenenfalls Schadensersatz nach § 311a Abs. 2 BGB verlangen.
Dieses ist also bei Neuabschluss von Verträgen zu beachten, bis die Corona-Pandemie endgültig vorüber ist, was noch lange dauern kann.
3.
Der objektiven bzw. subjektiven Unmöglichkeit steht die so genannte rechtliche Unmöglichkeit gleich. Rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistungen von niemandem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erbracht werden darf. Rechtliche Unmöglichkeit kommt also z.B. in Betracht, wenn Ausgangssperren oder Quarantänemaßnahmen verhängt werden, die die Erfüllung des Vertrages verbieten.
4.
Die Anwendung der §§ 275, 283 BGB setzt allerdings eine dauernde Unmöglichkeit voraus (vgl. BGH NJW 07 S.3777). Vorübergehende Leistungshindernisse befreien den Schuldner lediglich während ihrer Dauer von der Leistungspflicht. Sobald die Erfüllung des Vertrages aufgrund der Corona-Pandemie bzw. den hierzu erlassenen Restriktionen nicht mehr unmöglich ist, hat der Auftragnehmer seine Leistungspflicht also unverzüglich zu erfüllen bzw. nachzuholen.
Da in der Regel auch der Auftraggeber die Pandemie und deren Folgen nicht zu vertreten haben dürfte, dürften dem Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber für ihn durch die Verschiebung der Leistungszeit entstehende Mehrkosten grundsätzlich keine Entschädigungsansprüche zustehen. Umgekehrt kann ja auch der Auftraggeber vom Auftragnehmer grundsätzlich keinen Schadensersatz verlangen, wenn die Erbringung der Leistung aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend nicht möglich ist, es sei denn, der Auftragnehmer hat ausnahmsweise die Unmöglichkeit der Leistungserbringung zu vertreten.
Ein solcher Fall könnte ggf. vorliegen, wenn sich der Unternehmer in Kenntnis der Corona-Pandemie bzw. der hiermit verbundenen, gesetzlichen Restriktionen ohne Einschränkung zur Leistung verpflichtet, obwohl absehbar war, dass die Leistungspflicht in der vorgesehenen Leistungszeit nicht erfüllt werden kann.
5.
Sollte die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich und nicht nachholbar sein (so genanntes Fixgeschäft), dürfte von einer dauerhaften und nicht nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Vertragserfüllung auszugehen sein, obwohl die Corona-Pandemie allenfalls zu einem vorübergehenden Leistungshindernis führt. Denn die Leistung kann grundsätzlich nicht nachgeholt werden, wenn sie z.B. für eine Veranstaltung zu einem bestimmten Termin unbedingt fertig sein müsste. Ist dieser Termin verstrichen und die Veranstaltung vorbei, hat die Leistung für den Auftraggeber grundsätzlich kein Interesse mehr. In diesen Fällen dürfte also davon auszugehen sein, dass die Leistungspflicht des Auftragnehmers endgültig entfällt und er auch endgültig seinen Anspruch auf die Gegenleistung (Vergütung) verliert.
Diese Fälle dürften bei Bauverträgen aber wohl sehr selten sein.
6.
Problematisch dürfte der Fall zu beurteilen sein, wenn ein Werkunternehmer z.B. Werkleistungen in einem Krankenhaus zu erbringen hat, die er trotz Corona-Pandemie objektiv noch erbringen könnte, aber nicht erbringen will, weil er seine Mitarbeiter nicht dem Infektionsrisiko im Krankenhaus aussetzen will.
Ein Fall der Unmöglichkeit im Sinne des §275 Abs. 1 BGB läge nicht vor.
Allerdings kann der Schuldner die Leistung gemäß § 275 Abs. 3 BGB verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung der seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisse mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Ob unter den vorgenannten Umständen „Unzumutbarkeit“ im Sinne des § 275 Abs. 3 BGB vorliegt, dürfte wohl eher zu bezweifeln sein.
In gleicher Weise rechtlich problematisch dürfte der Fall sein, dass der Unternehmer im Rahmen seiner vertraglichen Gewährleistung zu einer dringenden Mängelbeseitigung aufgefordert wird, die keinen Aufschub duldet, weil ansonsten erhebliche Gefahren oder Schäden drohen. Es stellt sich die Frage, ob der Unternehmer in diesem Fall verpflichtet ist, zur Erfüllung seiner Mängelgewährleistungspflicht einen teuren Drittunternehmer zu beauftragen, wenn er aufgrund der Corona-Pandemie entweder subjektiv oder aufgrund rechtlicher Hindernisse zur fristgemäßen Erfüllung nicht in der Lage ist.
Dieses dürfte wohl grundsätzlich zu bejahen sein. Gemäß § 275 Abs. 2 BGB kann der Schuldner die Leistung nämlich nur verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhaltes des Schuldenverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
Dieses Vertretenmüssen dürfte im Gewährleistungsfall grundsätzlich vorliegen, da der Unternehmer mit der mangelhaften Leistung in vorwerfbarer Weise die Ursache für den Gewährleistungsfall gesetzt hat.