Familienrecht: Schadensersatz bei elterlichem Zugriff auf das Sparbuch des Kindes

RA Dr. Gottfried Hantke, RAe Dr. Hantke & Partner

Eltern müssen unter Umständen Schadensersatz zahlen, wenn sie vom Sparbuch ihres Kindes Geld abheben – selbst, wenn das Kind das Sparbuch nie in Besitz hatte. Dieses entschied der BGH nun in seinem Beschluss vom 17.07.2019 (Az.: XII ZB 425/18). Des Weiteren stellte er klar, dass für die Frage, ob dem Kind Schadensersatzansprüche zustehen würden, die Beziehung zwischen dem Kind und den Eltern maßgeblich sei.

Was war passiert?

Im Jahr 1997 eröffneten die Eltern für ihre 1996 geborene Tochter ein Sparbuch, um dort Sparguthaben für ihre Tochter einzahlen zu können. Der für die Eröffnung notwendige Antrag bezeichnete sowohl die Tochter als auch den Vater als Kunden, wohingegen jedoch ein entsprechendes Zusatzblatt den Vater als Vertretungsberechtigten der Tochter vorsah, der bis zur Volljährigkeit der Tochter auch alleine über das Sparbuch verfügen können sollte. Über die Jahre hatte die Tochter das Sparbuch nie selbst im Besitz. Dieses befand sich vielmehr im Besitz der Eltern bzw. des Vaters. Auch zahlte die Tochter keine Beträge auf das Sparbuch ein, sondern die Eltern zahlten dort Kindergeld und andere Beträge für die Tochter ein.

Im Zeitraum vom November 2010 bis einschließlich Juli 2011 hob der Vater dann einen Betrag von insgesamt € 17.300,00 von dem Sparbuch der Tochter – ohne Rücksprache mit der Tochter oder der Mutter - ab. Kurz darauf – im Jahr 2012 – erfolgte die Trennung der Eltern. Anfang 2015 übergab der Vater dann das Sparbuch der Tochter, wobei sich lediglich € 242,00 noch auf diesem befanden. Daraufhin begehrte die Tochter vor dem Amtsgericht die Rückzahlung der von dem Vater abgehobenen € 17.300,00. Das Amtsgericht gab dem Antrag der Tochter statt. Der Vater erhob daraufhin Beschwerde vor dem OLG Frankfurt am Main.

Entscheidung des OLG

Das OLG hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies den Antrag der Tochter ab. Es bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Vermögenssorge als Teil der elterlichen Sorge. So würden zwar grundsätzlich einige Indizien für die Alleininhaberschaft und entsprechende Verfügungsberechtigung der Tochter an dem Sparbuch sprechen. Allerdgins würden diese Indizien nicht stark wiegen, wie der Besitz an dem Sparbuch, welchen die Tochter selber nie hatte. Auch ein Besitzmittlungsverhältnis habe nie vorgelegen. Darüber hinaus sei das Guthaben auf dem Sparbuch auch lediglich durch Einzahlungen der Eltern entstanden – die Tochter hatte von ihrem Taschengeld nie Beträge auf das Sparbuch selber eingezahlt. Zudem war der Vater gemäß dem Zusatzblatt auch bis zur Volljährigkeit berechtigt, alleine über das Sparbuch zu verfügen. Ein Schadensersatzanspruch scheide daher mangels Pflichtverletzung aus und der Antrag sei abzuweisen. Gegen die Entscheidung des OLG legte die Tochter Revision zum BGH ein.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob die Entscheidung auf und wies die Sache an das OLG zurück.  In seiner Begründung führt der BGH aus, dass der Besitz allein nicht entscheidendes Indiz für die Verfügungsberechtigung der Eltern an dem Konto bzw. Sparbuch des minderjährigen Kindes sein kann. Vielmehr kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Kind und den Eltern an.

Insofern sei anstatt des Besitzes an dem Sparbuch vielmehr relevant, ob sich die Eltern beispielsweise die Verfügung über aus eigenen Mitteln bereitgestellten Beträgen vorbehalten hätten. Sei dieses gerade nicht der Fall, würde eine Verfügungsberechtigung der Eltern regelmäßig ausscheiden. Auch sei relevant, ob möglicherweise das Guthaben aus Überweisungen von Dritten entstanden sei. Insofern könne der jeweilige Forderungsinhaber von einzelnen Teilbeträgen unterschiedlich sein – je nachdem, wer den entsprechenden Teilbetrag eingezahlt hat.

Im vorliegenden Fall hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen, allerdings mit dem Hinweis, dass einige Tatsachen dafürsprechen würden, dass Forderungsinhaberin die Tochter – und nicht der Vater – gewesen ist. Entsprechend wäre dann auch eine Verletzung der Vermögenssorge durch den Vater zu bejahen und einem entsprechenden Schadensersatzanspruch stattzugeben.

Stellungnahme

Der BGH hatte in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass ein Angehöriger, der ein Sparbuch für ein Kind anlegt hatte, ohne diesem den Besitz an dem Sparbuch einzuräumen, sich seine Verfügungsbefugnis über das Sparguthaben regelmäßig vorbehalten will (vgl. BGH Urteil vom 18.01.2005 Az.: X ZR 264/02). Allerdings lag dem dortigen Fall das Verhältnis einer Großmutter zu ihrem Enkelkind zugrunde. Ob der Besitz an einem Sparbuch auch im Verhältnis zwischen Eltern und Kind maßgeblich sei, war lange Zeit umstritten, wurde jedoch nunmehr durch den BGH geklärt.

Er schließt sich derjenigen Meinung an, welche davon ausgeht, dass dem Besitz in diesem Fall eine weniger starke Indizwirkung zukommt. Gerade bei minderjährigen Kindern – vor allem, wenn diese sich im Grundschulalter befinden – können Eltern der Vermögenssorge regelmäßig nur dann genügen, wenn sie ein Sparbuch selbst aufbewahren würden. Daher lasse sich aus dem Besitz alleine gerade nicht schließen, dass die Eltern verfügungsberechtigt sein sollen. Vielmehr müssen regelmäßig weitere Indizien hinzutreten, um eine Verfügungsberechtigung der Eltern zu bejahen. Abschließend hat der BGH diese Indizien allerdings bisher nicht aufgezählt.

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