RA Dr. Till Hantke M.E.S., RAe Dr. Hantke & Partner
Medizinrecht: Neues zum „Schockschaden“
Am 25.05.2019 hat der BGH ein Urteil (Az. VI ZR 299/17) zum Thema des sog. „Schockschadens“ verkündet. Hier hatte die Klägerin in den Vorinstanzen behauptet, durch die aufgrund eines Behandlungsfehlers entstandene Peritionitis ihres Ehemannes einen psychischen Schaden in Form eines depressiven Syndroms erlitten zu haben. Ihr stehe daher – obgleich nicht Partei des Behandlungsvertrages – ein eigener Schadensersatzanspruch zu. Mit diesem Vorbringen war die Klägerin weder vor dem Landgericht noch vor dem Oberlandesgericht erfolgreich, da die Gerichte annahmen, mit dem (behaupteten) Schaden der Klägerin hätte sich ledilich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, die Erkrankung eines nahen Angehörigen miterleben zu müssen.
Demgegenüber hat der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung klargestellt, dass auch im Bereich des Arzthaftungsrechts die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze zum Schockschaden gelten. Ein eigener Anspruch des (psychisch) Geschädigten kommt in Betracht, wenn dieser in einem Näheverhältnis zu dem direkt Geschädigten steht, es sich sich bei der Schädigung nicht um eine Bagatelle handelt und der (psychische) Schaden hinsichtlich Intensität und Dauer über das hinausgeht, was ein Angehöriger in vergleichbarer Lage erleidet. Da die Vorinstanzen keine dem entgegenstehenden Festellungen getroffen hatten, war all dies im Revisionsverfahren zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen. Mit der Entscheidung wird klargestellt, dass (psychische) Schädigungen von Angehörigen von Patienten schadensrechtlich nicht anders zu behandeln sind, als in sonstigen Fällen der Schadensverursachung, z.B. durch einen Unfall. Der BGH hat die Sache entsprechend an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dort wird durch Beweisaufnahme zu klären sein, welches Ausmass die psychische Schädigung der Klägerin hat und ob diese tatsächlich auf einem Behandlungsfehler bzw. die von ihrem Ehemann erlittenen Peritionitis zurückzuführen ist.
Der BGH weist gegen Ende seiner Entscheidung darauf hin, dass hierfür das Beweismaß des § 286 ZPO gilt, d.h. Zweifel würden sich zu Ungunsten der Klägerin auswirken.