RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Wir hatten bereits in unserem Beitrag vom 24.04.2018 über die Entscheidung des BGH vom 22.02.2018 (Aktenzeichen: VII ZR 46/17) berichtet und zuletzt ein paar Folgeprobleme dieser Entscheidung in unserem Beitrag vom 26.02.2019 erläutert. Um was ging es hier nochmal? Der BGH hatte am 22.02.2019 entscheiden, dass im Werkvertragsrecht der Schadenersatzanspruch nicht anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten berechnet werden dürfe. Man müsse auf das Wertinteresse zwischen mangelhafter und mangelfreier Ausführung abstellen. Wenn also eine Werkleistung mangelgaft ausgeführt wird, kann der Auftraggeber nicht einfach - wie das bis zum 22.02.2018 üblicherweise gemacht wurde - Angebote für die Mängelbeseitigung einholen und den Netto-Betrag als Schaden geltend machen. Man muss den Schaden anhand des Einzelfalles konkret schätzen oder anhand der Wertminderung berechnen.
In unserem Beitrag 26.02.2019 hatten wir anlässlich einer Entscheidung des LG München I erläutert, dass diese Schadensberechnung wohl nur Anwendung im Werkvertragsrecht finden dürfe. Insbesondere führte der BGH in seiner Entscheidung an, dass die Änderung seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Schadensberechnung auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen. Zu dieser Thematik, der Anwendbarkeit der fiktiven Schadensberechnung im Kaufrecht, gab es bisher wenig Rechtsprechung. Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.10.2018, Aktenzeichen: I-24 U 194/17) hatte sich hierzu geäußert und lehnte eine Anwendung der Rechtsprechung des BGH im Kaufrecht ab. Anders sieht es das LG Ravensburg (Urteil vom 06.12.2018, Aktenzeichen: 2 O 151/14) und führt in den Entscheidungsgründen aus.
"Diese Art der Schadensberechnung auf Grundlage der fiktiven Mangelbeseitigungskosten ist nach der geänderten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -) nicht mehr als zulässig zu erachten. In der Logik der Argumentation des BGH kann die Änderung der Rechtsprechung zu den fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt bleiben, weil die Überlegungen in dem vorgenannten Urteil die allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzes statt der Leistung betreffen. Bisher wurde in der Rechtsprechung des BGH der Mangel selbst als Schaden qualifiziert, mit der Folge, dass die (fiktiven) Beseitigungskosten ersetzbar waren. Jetzt stellt der BGH nur noch auf das Wertinteresse ab, in dem er den Ausgleich des Wertinteresses zwischen mangelfreiem und mangelhaftem Werk zur Berechnung heranzieht.
Zwar spricht gegen eine Übertragung der Rechtsprechung des BGH auf das Kaufvertragsrecht, dass der BGH in der genannten Entscheidung auch mit der Gefahr der Überkompensation argumentiert, die er besonders im Werkvertragsrecht sieht, wo es regelmäßig schwierig sei, den Kostenaufwand im Vorfeld der Beseitigung einigermaßen zutreffend festzustellen. Dabei ist aber zu bedenken, dass hinter der Argumentation mit der Gefahr der Überkompensation die Idee des Gesetzgebers steht, mit § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Berechnung des Sachschadensersatzes wieder stärker am konkreten Schaden zu orientieren. Demgegenüber tritt dann das Argument dass insbesondere beim Werkvertrag Prognoseschwierigkeiten bei der Höhe des Schadens bestünden, in den Hintergrund (Heinemeyer. Ende der fiktiven Mängelbeseitigungskosten auch im Kaufrecht?, NJW 2018, S. 2441).
Die Feststellung der Höhe des Schadens des Beklagten ist daher aufgrund einer Wertung vorzunehmen, die sich am Leistungsinteresse des Bestellers orientieren muss. Der Schaden kann dabei in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird."
Nach der hier vertretenen Auffassung sind die grundsätzlichen Überlegungen des LG Ravensburg zwar richtig, aber im Ergebnis eben nicht auf das Kaufrecht übertragbar. Und hierfür hatte der BGH in seiner Entscheidung auch mehrere Argumente aufgeführt mit denen sich das Landgericht auch nur teilweise auseinandergesetzt hat. So gibt es im Werkvertragsrecht eben die Möglichkeit des Auftraggebers eine Selbstvornahme durchzuführen - also die Mängel selber zu beseitigen, wenn der Auftragnehmer es nicht tut. Der Auftraggeber kann daher gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB einen Vorschussanspruch geltend machen. Also vom Auftragnehmer verlangen, dass dieser im die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitung zahlt. Diese Möglichkeit gibt es im Kaufrecht nicht.
Das wiederum bedeutet für den Käufer einer mangelhaften Sache, dass er den Mangel stets erstmal in tatsächlicher Hinsicht beseitgen muss (und zwar auf eigene Kosten) um dann den tatsächlich ihm entstandenen Schaden ersetzt zu bekommen. Folgt man der Auffassung des LG Rabensburg muss also der redliche Käufer in Vorleistung gehen - das kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben.