RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Am 12.04.2019 hat sich der V. Zivilsenat des BGH (V ZR 112/18) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Eigentümergemeinschaft per Mehrheitsbeschluss einem Eigentümer die Nutzung seiner Eigentumswohnung als Ferienwohnung untersagen kann. Bisher ist das Urteil noch nicht veröffentlicht; der Pressemitteilung ist insoweit zu entnehmen, dass ein solches Verbot durch Mehrheitsbeschluss nicht möglich ist, sondern einer Zustimmung sämtlicher Eigentümer bedarf, weil damit die Nutzung jeder Wohneinheit eingeschränkt würde und damit alle Eigentümer betroffen wären.
Um was ging es?
Die Teilungserklärung der betroffenen Eigentümergemeinschaft sieht eine Regelung vor, wonach eine kurzzeitige Vermietung der Eigentumswohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet wird. Gleichfalls sah die Teilungserklärung vor, dass die Regelungen in der Teilungserklärung durch einen Beschluss mit einer Mehrheit von 75 % geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungseigentümer, dass eine Überlassung der Eigenuzmswohnungen an Feriengäste, welche täglich oder wöchentlich wechseln, nicht mehr zulässig sein sollte. Hiergegen wandte sich die Klägerin gegen die übrigen Eigentümer mit der Anfechtungsklage.
Wie wurde entschieden?
Sowohl das Amtsgericht Papenburg, als auch das Berufungsgericht Landgericht Aurich gaben der Klage statt. Die Beklagten legten also Revision ein, sodass der BGH sich mit der Frage auseinanderzusetzen hatte. Nach der Pressemitteilung hat der BGH die Revision zurückgewiesen und zwar aus folgenden Erwägungen:
"Die Revision war erfolglos. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Beschluss rechtswidrig ist, weil die Zustimmung der Klägerin fehlte; deshalb ist der Beschlussmängelklage zu Recht stattgegeben worden.
Dabei hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Nach der bislang geltenden Gemeinschaftsordnung war die kurzzeitige Vermietung zulässig. Dienen Einheiten - wie hier - zu Wohnzwecken, ist dies nämlich als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasst, wie der Bundesgerichtshof schon im Jahr 2010 entschieden hat, auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste; diese Vermietungsformen waren hier bislang sogar ausdrücklich erlaubt.
Im Ausgangspunkt erlaubt es die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern zwar, solche Vereinbarungen mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Zum Schutz der Minderheit sind dabei aber bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Das gilt unter anderem für Beschlussgegenstände, die zwar verzichtbare, aber "mehrheitsfeste" Rechte der Sondereigentümer betreffen. Zu diesen "mehrheitsfesten" Rechten eines Sondereigentümers gehört die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Diese gibt vor, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf; deshalb hat sie aus Sicht des Sondereigentümers entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Wird sie geändert oder eingeschränkt, betrifft dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise. Derartige Eingriffe bedürfen jedenfalls der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung geändert werden soll. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel, die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum im Sinne von § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet ist. Beispielsweise berechtigt eine solche Klausel nicht dazu, eine als Gaststätte dienende Teileigentumseinheit ohne Zustimmung des Teileigentümers mit der Zweckbestimmung Büro zu versehen, weil die Mehrheit den Gaststättenbetrieb als störend empfindet.
Auch Vermietungsverbote greifen in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums ein. Ein generelles (also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes) Vermietungsverbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen; denn auch die Zweckbestimmung solcher Einheiten, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung von den Eigentümern selbst genutzt werden, würde eingeschränkt, wenn eine Vermietung fortan unterbleiben müsste. Hier haben die Wohnungseigentümer zwar kein generelles, sondern ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen, mit dem nur bestimmte, nämlich kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Aber auch ein solches Verbot kann nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden. Denn es verengt die zuvor weite Zweckbestimmung der Einheiten und schränkt das in § 13 Abs. 1 WEG gewährleistete Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, dauerhaft in erheblicher Weise ein. Über die Nutzung des Sondereigentums darf aber soweit nichts anderes vereinbart ist – der Sondereigentümer frei entscheiden, und er darf sich darauf verlassen, dass seine auf das Sondereigentum bezogenen Nutzungsbefugnisse nicht ohne sein Zutun eingeschränkt werden. Infolgedessen dürfen auch Vermietungen von besonders kurzer Dauer oder bestimmter Art - wie etwa die Vermietung als Ferien- oder Werkswohnung – nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer verboten werden; andernfalls entstünden im Übrigen erhebliche Abgrenzungs- und Wertungsprobleme.
Die Eigentumsrechte der übrigen Wohnungseigentümer werden hierdurch nicht außer Acht gelassen. Allerdings erfordern Regelungen, die - wie das Verbot der kurzzeitigen Vermietung in einer reinen Wohnungseigentumsanlage – die Zweckbestimmung aller Einheiten betreffen, eine allstimmige Beschlussfassung; diese zu erreichen, kann sich gerade in größeren Anlagen als schwierig erweisen. Den übrigen Wohnungseigentümern stehen aber ggf. andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Kurzzeitvermietung angeht, müssen damit einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie können einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen. Solche Störungen machen die Beklagten allerdings - soweit ersichtlich - nicht geltend. Der von ihnen vornehmlich angeführte Umstand, dass die kurzzeitigen Mieter den anderen Bewohnern unbekannt sind, stellt für sich genommen keine Störung dar."
Der BGH lehnt eine Änderung der Teilungserklärung durch einen Mehrheitsbeschluss mit einer Mehrheit von 75 % ab und verlangt die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen hierfür: Die Zustimmung aller. Als wesentliche Begründung führt der BGH den Minderheitenschutz an. Denn grundsätzlich könne der Wohnungseigentümer mit seiner Wohnung ja machen was er wolle - § 13 Abs. WEG. Mit der beschlossenen Änderung der Teilungserklärung würde diese Freiheit aber eingegrenzt und das beträfe sämtliche Eigentümer bzw. Wohnungen. Deshalb komme es nicht auf die Regelung in der Teilungserklärung an, sondern auf die gesetzlich vorgesehene Regelung.
Das Argument des BGH ist nachvollziehbar. Die Folge dieser Argumentation führt aber dann zu der Frage, ob derartige Öffnungsklauseln (Änderung der Teilungserklärung mit einer Mehrheit von 75 %) dann überhaupt rechtwirksam sind bzw. in Zukunft noch "Sinn machen". Denn bestimmte Regelungen in der Teilungserklärung dienen ja oftmals gerade dem Zweck vom Gesetz abweichende Bestimmungen zu treffen. Es bleibt nun aber die Veröffentlichung des Urteils abzuwarten, um die Hintergründe der Entscheidung bewerten zu können.