RA Dr. Kühnemund, RAe Dr. Hantke & Partner
Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer Entscheidung vom 19.3.2019 (9 AZR 315/17) seine langjährige Rechtsprechung geändert. Bisher sah die Rechtslage so aus: Hatte ein Arbeitnehmer aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber z.B. ein Jahr lang unbezahlten Sonderurlaub, so stand ihm am Ende der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen zu bzw. von 20 Arbeitstagen bei einer fünf-Tage-Woche. Er konnte also erst einmal vier Wochen Urlaub einreichen. Paradox, wollte man meinen; allerdings steckte dahinter das Problem, dass ein Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht verzichten kann, auch nicht dann, wenn er ein Jahr lang eigentlich gar nicht arbeiten muss. Dass das Ergebnis bei jedem „Nichtjuristen“ nur zu Unverständnis führen kann, hat jetzt wohl auch das Bundesarbeitsgericht erkannt.
Die Pressmeldung vom 19.3.2019 lautet wie folgt:
"Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs bleiben Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juni 1991 beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihr wunschgemäß in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31. August 2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 zu gewähren.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Gewährung von 20 Arbeitstagen Urlaub verurteilt.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin hat für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.
Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten.
Der Senat hat diese Umrechnung in Fällen des Sonderurlaubs bisher nicht vorgenommen. An dieser Rechtsprechung (BAG, 06.05.2014, Az.: 9 AZR 678/12 Rn. 11 ff.) hält der Senat nicht fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht."
Die Pressemeldung finden Sie hier.
Interessant ist die Argumentation des Gerichtes, die sich aus der Pressemeldung ergibt: Der Urlaub entfällt nicht etwa; man könnte ja auch auf die Idee kommen, dass der Arbeitnehmer mit der Sonderurlaubsvereinbarung darauf verzichtet. Nein, das BAG geht einen anderen Weg: Bei einer sechs-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch nach dem Gesetz 24 Tage, das führt also zu 4 Kalenderwochen Urlaub. Bei einer fünf-Tage-Woche sind das nur 20 Tage, also auch wieder vier Wochen Urlaub. Und wenn die Arbeitszeit auf null Tage während des Sonderurlaubs reduziert ist, nun, dann gibt es halt auch null Tage Erholungsurlaub. Eine interessante Argumentation, die vielleicht sogar der Rechtsprechung des EuGH standhalten könnte