RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.02.2018 (BGH VII ZR 46/17) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und sich dafür entschieden, dass sich die Höhe eines Schadenersatzanspruchs im Werkvertragsrecht nicht anhand der fiktiven Mängelbeseitigungskosten bestimmen lässt. Es ist davon auszugehen, dass sich die neue Entscheidung des BGH wesentlich auf die Baubranche auswirken wird, da die Geltendmachung des kleinen Schadenersatzes nunmehr schwieriger werden dürfte.
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von mehreren Beklagten Schadenersatz für die wegen Mängeln an den im Außenbereich eines Einzelfamilienhauses verlegten Natursteinplatten. Sie beauftragte den beklagten Architekten mit der Planung des Außenbereichs; nach Planung beauftragte die Klägerin den ebenfalls beklagten Unternehmer mit der Verlegung von Natursteinplatten.
Nach Abnahme und Zahlung der Schlussrechnung zeigen sich Mängel an den verlegten Natursteinplatten, wie Risse, Ablösungen , Kalk- und Salzausspülungen, Farb- und Putzabplatzungen sowie starken Durchfeuchtungen des Putzes.
Die Klägerin nimmt daraufhin den beklagten Architekten auf Schadenersatz in Höhe von etwa 123.000 EUR und den beklagten Unternehmer unter Berücksichtigung eines 25%igen Planungsfehlers gesamtschuldnerisch auf Kostenvorschuss in Höhe von etwa 92.000 EUR in Anspruch. Das Landgericht Düsseldorf gibt der Klage statt.
Während des Berufungsverfahrens veräußerte die Klägerin das Objekt. Sie stellte in der Folge die Vorschussklage gegen den beklagten Unternehmer auf Schadensersatz in Höhe von 75 % der fiktiven Mängelbeseitigungskosten um. Das OLG Düsseldorf hat der Klage in Höhe der Nettobeträge für die Mängelbeseitigung stattgegeben und sich auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof berufen, wonach Schadenersatz anhand des bedingten Minderwert des Werks oder nach den Kosten zu berechnen sei, die für eine Mängelbeseitigung erforderlich wären. Das Berufungsgericht hat die Revision hinsichtlich der Frage zugelassen, wie die Schadenshöhe zu bemessen sei, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte.
Entscheidung des BGH:
Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Revision durch das OLG Düsseldorf beschäftigt sich der BGH nicht mit dem Anspruch dem Grunde nach, sondern „nur“ mit dem Anspruch der Höhe nach. Im Rahmen der Entscheidungsgründe legt der BGH Schritt für Schritt dar, wie die Schadensbemessung bei der Geltendmachung des kleinen Schadenersatzes zu erfolgen hat. Zunächst macht der BGH einen Abstecher in seine bisherigen Entscheidungen und erläutert, dass die Schadensbemessung bisher im Wege der Erstellung einer (aufwändigen) Vermögensbilanz (Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehende Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel) oder anhand der fiktiven Mängelbeseitigungskosten erfolgen konnte. Sodann erklärt er, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht nicht zutreffend abbildet, sondern vielmehr häufig zu einer Überkompensation und damit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Bestellers führen würde.
Neben der Erstellung einer (aufwändigen) Vermögensbilanz soll es auch eine einfachere Möglichkeit für die Schadensbemessung für den Besteller geben: Er kann sich auf die Betrachtung des mangelhaften Werks selbst im Vergleich zu dem geschuldeten (also mangelfreien) Werk beschränken und aus einer Störung des werkvertraglichen Äquivalenzverhältnisses einen Anspruch ableiten. Der BGH verweist den Besteller damit auf den Weg die Schadensbemessung in Anlehnung an §§ 634 Nr. 3, 638 BGB vorzunehmen, sodass die Vergütung um den Minderwert des Werks wegen der nicht beseitigten Mängel zu schätzen wäre. Maßstab für die Schätzung als Maximalwert sei § 287 ZPO, wonach das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung die Schadenshöhe schätzen könne.
Lediglich klarstellend führt der BGH dann auch aus, dass auch die Minderung nicht anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten berechnet werden könne.
Stellungnahme:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Grunde genommen zutreffend, da in der Baubranche oftmals die Geltendmachung von Schadenersatz anhand der fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu einer Überkompensation des Bestellers geführt hat. Mit anderen Worten: Der Besteller konnte so mehr von dem Unternehmer verlangen, als ihm tatsächlich zustand. Die Rechte des Bestellers, der den Mangel tatsächlich beseitigen lassen will, bleibt der Weg über die Geltendmachung von Kostenvorschuss oder nach Beseitigung der Mängel über die Geltendmachung des tatsächlichen Schadenbetrages.
Aufgrund der Entscheidung des BGH dürfte es dem Besteller nun deutlich schwerer fallen den kleinen Schadenersatz in der Höhe konkret zu bemessen. Es müsste eine Vermögensbilanz aufgestellt werden oder eine Schätzung des Minderwerts erfolgen. Der Besteller kann sich bei der Berechnung seines „Schadens“ nun nicht mehr auf Angebote und ganz konkrete Zahlen stützen. Wie und anhand welcher konkreten Tatsachen eine solche Minderberechnung / Schätzung erfolgen kann, wird vom BGH mehr oder weniger offen gelassen. Einzig, dass die Schätzung des Schadens sich am Leistungsinteresse des Bestellers orientieren soll, lässt sich der Entscheidung entnehmen. Den Besteller trifft insofern nun ein bisher eingrenzbares Prozessrisiko hinsichtlich der Höhe bei der Geltmachung des kleinen Schadensersatzes; den Unternehmer trifft gleiches Risiko im Rahmen einer Werklohnklage.